Aktivlautsprecher Genelec 6040R im Test, Bild

6040R von Genelec im Test

Die ungefähre Lesezeit beträgt 8 Minuten
Einzeltest > Aktivlautsprecher > 27.03.2024

Profis für zu Hause

Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre HiFi-Händler und würde nach Empfehlungen, nach sicheren Tipps Ausschau halten. Und dann käme ein Lautsprecher wie der Genelec 6040R.

Test Aktivlautsprecher · Genelec 6040R

Tradition aus Finnland  
Genelec ist eine Firma, die mir als Hersteller sehr hochwertiger professioneller Lautsprecher natürlich geläufig ist, über die ich aber wenig weiß. Bei meinen ersten Recherchen bin ich auf sehr professionelle Installationsvideos aus den USA gestoßen. Die Firma selbst ist aber finnisch und hat dort auch heute noch ihren Sitz. Und eigentlich ist sie fast ausschließlich im professionellen Bereich unterwegs. Gegründet wurde Genelec 1978 von den Kindheitsfreunden Ilpo Martikainen, der 2017 verstarb und Topi Partanen. Den Startschuss für die Firma gab Juhani Borenius, Akustiker der finnischen Rundfunkgesellschaft YLE, als er die Freunde 1976 in einem Akustikseminar fragte, ob sie einen Aktivlautsprecher für die professionelle Radioproduktion entwickeln könnten, da gerade ein neues Funkhaus gebaut wurde. Die beiden hatten davon eigentlich keinen Schimmer, aber sie schafften es, einen Prototypen auf die Beine zu stellen, der die Auftraggeber überzeugte. Und so konnten sie 1978 Genelec Oy gründen. Ilpo verstarb 2017, Topi ist im Ruhestand, berät die Firma aber noch.   

Neue Wege
 
Ende der 1990er Jahre war man sich bei Genelec darüber im Klaren, dass Qualität alleine – und die war schon damals herausragend – nur die halbe Miete war. Also beauftragte Ilpo Martikainen 1999 den Designer Harri Koskinnen mit einem völlig neuen, aufregenden Design. Ein Jahr später wurde die 6040A auf einer Designmesse in Tokyo vorgestellt und begeistert aufgenommen. Intern gab es bei Genelec durchaus Widerstände gegen den Look, was aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar scheint. Seit das Design dann 2001 offiziell vorgestellt wurde, ist es ikonisch geworden. Koskinnen dazu: „Es ist der Traum des Lautsprecherherstellers, einen Lautsprecher in Form einer Kugel zu bauen. Auf diese Weise können die Schallwellen frei fließen. Das gebogene Rechteck ist optimal für die akustische Nutzung des Raums.“  

Zu Hause
 
War Genelec lange Zeit den Profis vorbehalten, verkaufen sie inzwischen immer mehr Lautsprecher auch für die Anwendung zu Hause und das ist kein Zufall. Wer sich einmal solchen Lautsprechern verschrieben hat, wird sich fragen, womit er bisher seine Zeit verbracht hat – so gut sind sie. Genelec ist ja nach wie vor in erster Linie Studioausstatter und als solcher einer der Marktführer weltweit. Worin liegt denn der Reiz des „Studioklangs“ für zu Hause? Marcel Schechter, ausgebildeter Toningenieur und bei Genelec für Kundenservice- und Beratung zuständig, sagte dazu etwas Wahres. Im Grunde gehe es um klassisches High-Fidelity, also hohe Wiedergabetreue. Wie die sich darstellt, darüber lässt sich natürlich streiten. Da viele Verkäufe von Genelec Lautsprechern über große Händler wie auch Thomann laufen, dauerte es ein wenig, bis man in Finnland erkannte, dass immer mehr Genelecs auch in Wohnzimmer wandern. Das liegt auch daran, dass immer mehr Nutzer die Fähigkeit und das Interesse haben, sich mit der Software und der Einmessung zu beschäftigen. Darauf komme ich gleich noch zurück.   

Die Basics
 
Die 6040R ist ein fast schon zierlicher Zwei-Wege-Aktivlautsprecher, der fest mit seinem Standfuß verbunden ist. Dadurch ist er zwar wohnzimmertauglich, für die Studionutzung aber nur eingeschränkt zu gebrauchen, da dort die Lautsprecher eher oberhalb einer Masteringkonsole montiert werden. Das Gehäuse wird aus dem für Genelec so typischen Aludruckgussmaterial in Finnland gefertigt. Es ist akustisch nicht tot, was man durch einfaches Handauflegen bei höheren Pegeln spüren kann. Das Material ist zu mehr als 90 % recycelt, was den Finnen sehr wichtig ist, möchte man doch dazu beitragen, die wunderbare heimische Natur zu erhalten. [IMG3-50] Sämtliche Anschlüsse sowie die Elektronik, also die Class- D-Amps und das DSP sind im Lautsprecherfuß untergebracht. Wie ich mir gedacht habe, wird bei Genelec auf Teamwork gesetzt, einzelne Personen sollen, mal abgesehen exponierter Gestaltern wie dem Designer Koskinnen, keine Rolle spielen. Das ist für Firmen aus dem Profibereich typisch. Die Lautsprecher werden komplett in Finnland produziert, die Entwicklung findet unter einem Dach an einem schönen See statt: Strategie, Forschung und Entwicklung, Akustik, Mechanik, Elektronik und Software. Die Treiber für die meisten Lautsprecher sind zugekauft, einzig die Koaxlautsprecher werden dort von Hand gefertigt. Die Elektronik allerdings wird vor Ort handverlötet, das DSP komplett selbst gestaltet.   

Lautsprecherkönnen  
Ich gebe es zu: ich hatte mich auf eine Software-Orgie vorbereitet, die viel meiner knapp bemessenen Zeit, die ich mit diesen Ausnahmelautsprechern verbringen durfte, aufgefressen hätte.  Die Software hatte ich natürlich heruntergeladen und vorbereitet, das GLM-Kit lag vor mir. GLM bedeutet „Genelec Loudspeaker Manager“ und ist eine DSP-basierte Mess- und Raumkorrektursoftware. Dafür muss man den sogenannten GLM-Network-Adapter via Ethernetkabel mit den Lautsprechern und dann via USB-Kabel mit dem Computer verbinden. [IMG7-50] Anschließend darf man sich in die Software einfuchsen und dann mit dem kalibrierten Messmikrofon den Raum messen. So generiert die Software ein langes PDF-Dokument, das genau auf spezifische Raummoden und sonstige Anomalien eingeht. Für den schnellen Erstbetrieb findet man auf der Rückseite der Ständer zwei Dip-Schalter-Sets zur manuellen EQ-Basisanpassung ohne Einmessung. Hier kann man die Eingangsempfi ndlichkeit und vieles mehr einstellen, aber auch diese Einstellungen waren ab Werk so kalibriert, dass ich kein Bedürfnis hatte, irgend etwas zu verstellen. Also habe ich die Lautsprecher einfach an unsere große Accuphase CD-Laufwerk-Wandler- Kombination angeschlossen. Und was soll ich sagen? Das klang nach einer sanften Einwinklung zum Hörplatz in unserem mehr als 40 qm großen Hörraum phänomenal. Und das ist keine Übertreibung. Also habe ich meine Zeit mit Musikhören verbracht und gelobe fürs nächste Mal Besserung. Mir ist klar, dass man mit den Genelec-Einmesstools die Latte noch ein Stück höher legen kann. Gerade wenn man Raummoden umgehen kann, strafft sich zum Beispiel der Bass. Aber sehen Sie mir nach, dass ich mich beim ersten Versuch bereits klanglich so wohl gefühlt habe, dass ich mir das „Upgrade“ fürs nächste Mal vorbehalte.   

Klangvermögen
Ich habe schon viele hervorragende Lautsprecher gehört. Aber was diese kleinen Schallwandler zu leisten in der Lage sind, habe ich nicht erwartet. Dass sie pegelfest sind schon. Dass sie komplett unverzerrt spielen auch. Aber diese Geschmeidigkeit, die Rauminformationen, die Abstrahlgröße, dieser enorme Schalldruck samt erstaunlich tiefem und farbigem Bass – das habe ich so nicht erwartet. Schon die ersten Töne von Archie Shepps „Blue Ballads“ unterbrechen sämtliche andere Tätigkeiten: “Was ist das denn?“ denke ich. Wie farbig klingt denn dieser Bass? Wie greifbar erscheint das Saxophon vor mir? Wie organisch greift alles ineinander? Dann höre ich zwei meiner Lieblingsaufnahmen. Einmal „Sorry I made You Cry“, das vielleicht beste Album der Czars. Ich fühle mich wie auf einem Fest, vom dem ich nicht wieder nach Hause möchte. Die Stimme John Grants sitzt mir fast im Schoß, die Instrumente surren und schwingen, als wollten sie gar nicht mehr damit aufhören und ich tauche in einen Raum ein, der mir unendlich erscheint. Dann höre ich Bon Ivers Debüt „For Emma, Forever Ago. Auf „Lump Sum“ erlebe ich eine sensationelle Intensität, einen schier unfassbaren, fast überwältigenden Detailreichtum. Aber keine Sorge, diese Details sind alle so organisch ins Klanggeschehen eingebunden, dass es unvorstellbar erscheint, sie von dort wieder zu tilgen. Was mich vor allem begeistert, ist wie der Klang federt und schwingt, wie sich Hartes von Weichem, Intensives von Beiläufigem unterscheiden lässt. Ich höre ernsthaft ganz neue Details, die mir bisher verborgen waren. Bei „Skinny Love“ taucht nach etwa anderthalb Minuten ein Perkussionseffekt auf dem rechten Kanal auf, den ich noch nie gehört habe. Das haut mich aber nicht aus dem Gesamtgeschehen und letztlich aus dem Genuss heraus, es erhöht meinen Genuss deutlich hin zu echtem High-End. Und gegen Ende von „The Wolves“ hörte ich bisher immer eine undefinierbare Geräuschkulisse, ein seltsames Knattern. Mit den Genelec 6040R verstehe ich nun, dass das ein Feuerwerk ist. Das ist Gegenteil der manchmal befürchteten Überfülle an Details. Mit diesen Lautsprechern kann ich High-End neu definieren. 

Fazit

Der Genelec 6040R ist ein erschreckend guter Lautsprecher. Erschreckend deshalb, weil man mit seiner Hilfe High-End neu definieren kann, ja muss. Absolute Weltklasse.

03/2024
Genelec - 6040R
KategorieAktivlautsprecher
Produkt6040R
HerstellerGenelec
Preis zum Testzeitpunkt7000 €
Webseitehttps://www.audiopro.de
Getestet vonChristian Bayer
Vorheriger Test

DABMAN i560 CD von Telestar im Test

Nächster Test

Lite-up-Play Sound von Kooduu im Test

image_suche_alle_tests

Weitere Tests des Autors Christian Bayer

Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


Keine Tests verpassen!

Jetzt zu unserem Newsletter anmelden und keinen Test mehr verpassen.